Faire Mode: INTERVIEW Doublethewears mit FORUM Magazin

Nina Walter

Lesedauer: 15min 

Überfluss erschlägt uns“

Eco Fashion ist nicht nur trendy und hochwertig, sondern wird auch nachhaltig und fair produziert. Weltweit spezialisieren sich immer mehr Marken auf faire Mode, darunter „Doublethewears“ (früher: „ind BERLIN“). Gründerin Nina Walter über die Vorteile von Fair Fashion, wandelbare Kleidungsstücke und neuartige Fashion-Fasern.

Frau Walter, wie entstand die Idee, eine eigene Eco-Fashion-Marke zu gründen?

Schon während des Studiums war für mich klar, dass ich eine eigene Brand aufbauen möchte. Meine Abschlusskollektion widmete ich dem Thema Wandelbarkeit: Alle Designs konnten durch Reißverschlüsse, Druckknöpfe oder andere smart verarbeitete Materialien verändert und somit auf unterschiedliche Art und Weise getragen werden. Nach anschließenden vier Jahren als Angestellte bei zwei Modebrands, wurde mir nochmals bewusst, wie wenig nachhaltig Mode, besonders Fast Fashion ist. Mir wurde klar, dass Wandelbarkeit hingegen der Inbegriff von Sustainability ist. Denn wir benötigen keine überquellenden Kleiderschränke – vor ihnen stehen wir letzten Endes nämlich sowieso nur überfordert und wissen nicht, was wir anziehen sollen, weil uns der Überfluss förmlich erschlägt. Was die Menschen brauchen sind wenige, gut designte Teile von hoher Qualität sowie aus nachhaltigen Materialien – dann macht morgens vorm Kleiderschrank zu stehen und Outfits zu kreieren auch wieder Spaß. Ganz nach dem Motto: Own less. Wear more. Und so gründete ich 2014 mein Label ind BERLIN, das seit dem 30.09. Doublethewears heißt – innovatives, nachhaltiges Design aus Berlin!

Wie genau haben Sie Ihre Idee umgesetzt?

Das erste wandelbare Piece von ind BERLIN war ein 3-in-1-Highlight: Eine Tasche, die sich sowohl zur Weste als auch zum Rock umwandeln ließ. Der Twock! Dafür bekam ich sogar ein Patent. Motiviert vom Erfolg des Twocks, der es sogar ins TV schaffte, designte ich als Nächstes ein 2-in-1 Wende-Shirt sowie ein Sweat-Shirt mit austauschbarem Kragen (Flexi Sweatshirt). Diese drei innovativen Mode-Pieces – in unterschiedlichsten Materialien sowie Größen – bildeten das Fundament meines nachhaltigen Werdegangs. Im Laufe der Jahre verfeinerte und erweiterte ich die Kollektionen stetig mit neuen Ideen. Meine Vision von Anfang an: Mit wenigen, hoch qualitativen und stylishen Kleidungsstücken möglichst viele Outfits kombinieren zu können.

Wendekleid Wendekleid

Warum sollte man Fair Fashion kaufen?

Nachhaltige, faire Mode verringert die Belastung unserer Erde, denn Materialien wie Bio-Baumwolle, Hanf oder Tencel gepaart mit nachhaltigem Färben, kürzeren Transportwegen sowie wiederaufbereiteten oder sogar recycelten Materialien, schonen die Umwelt. Doch nicht nur aus umweltschützenden Gründen sollten wir mehr Fair Fashion kaufen, sondern auch, um die Ausbeutung von Menschen zu beenden.Faire Mode bedeutet nämlich auch ethisch korrekt Arbeitsbedingungen sowie eine faire, wertschätzende Bezahlung derer, die unsere Kleidung produzieren.

Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit? 

Nachhaltigkeit sollte, meiner Meinung nach, heutzutage für alles und jeden das Wichtigste sein. Am 22. August 2020 war der „Earth Overshoot Day“ – das bedeutet, dass seit diesem Tag sämtliche Ressourcen der Erde, die unser Planet innerhalb eines Jahres auf natürliche Weise reproduzieren kann, aufgebraucht sind. Wir leben somit quasi seit Jahren auf Kosten der Natur. Dass das nicht gesund oder gut sein kann, sollte jedem klar sein. Wir versuchen daher mit unseren Designs, Ressourcen-Verschwendung abzuschaffen und mehr Nachhaltigkeits-Ansätze in der Modewelt zu etablieren – all das abgerundet mit maximalem Design und Trendgespür.

Wie setzen Sie Nachhaltigkeit noch um?

Durch wahrhaft nachhaltiges Design: Sämtliche Kleidungsstücke sowie Accessoires von Doublethewears können aufgrund ihres schlauen, wandelbaren Designs auf unterschiedliche Arten gestylt werden. Das Ziel dabei? Mode bewusst zu konsumieren sowie bewusst zu tragen. Unsere Stoffe kommen so ausschließlich wie möglich aus Europa und unsere Produktion findet in Estland sowie im Doublethewears -Atelier in Neukölln statt. Transparenz und ein vertrauensvoller Umgang mit unseren Kunden gehört – gemeinsam mit Nachhaltigkeit, Umweltschutz sowie bewusstem Konsum – zu unseren Core-Values. Wir sind grün seit Stunde Null – Greenwashing haben wir daher nicht nötig.

Auf welche verschiedenen Arten kann man die Kleidungsstücke denn tragen?

Unsere wandelbaren Kollektionen bestehen immer aus drei Kategorien:

1.) Kleidung zum Wenden, wie z.B. Wendejacken, Wendeshirts oder Wendehosen.

2.) Teilbare Kleidung, wie z.B. der Flexi-Jumpsuit, bei welchem das Jumpsuit-Oberteil durch einen Reißverschluss vom Unterteil getrennt und somit beide Teile auch einzeln, als Jacke und Hose, getragen werden können. Oder die Flexi-Bomberjacke, welche mit oder ohne Kapuze getragen werden kann.

3.) Multifunktionale Kleidung, wie z.B. der Twock, der sowohl als Rock, Weste oder auch Tasche stylebar ist. Oder der Rulli: Ein Pullover, den man zum Rucksack umwandeln kann. Letzterer gewann vor Kurzem den Vegan Fashion Award in der Kategorie „Männer Accessoires“, ausgezeichnet von PETA Deutschland – darauf sind wir natürlich sehr stolz.

Sweatshirt fair fashionSweatshirt fair fashion

Wie würden Sie den Stil von Doublethewears bezeichnen?

Doublethewears ist smart, sustainable und stylish. Diese Adjektive sind maßgebend für unseren gesamten Gestaltungsprozess. Wir sind weder oll, noch muffig – wir sind jung und zeitgeistig und wollen durch die Auswahl modernster Stoffe plus angesagter Farben nachhaltig die Optik fairer Mode verändern.

Aus welchen Materialien bestehen Ihre Kleidungsstücke?

Seit diesem Jahr besteht unsere Jersey-Kollektion fast komplett aus GOTS zertifizierter Bio-Baumwolle. Nach und nach haben wir konventionelle Baumwolle durch Bio-Baumwolle ausgetauscht. Das Problem hierbei war jedoch: Bislang wird nur 1% der weltweiten Baumwollherstellung nachhaltig realisiert. Was bedeutet das für uns als Brand? Die Auswahl ist extrem klein. Auf schöne Prints, bedruckte oder bestickte Stoffarten möchten und können wir aber nicht verzichten – daher müssen wir aktuell noch die ein oder andere synthetische Faser nutzen. Wir hoffen sehr, dass es nicht mehr so lange dauern wird, bis alle Garn- und Stoffproduzenten nachhaltig sind. Bis dahin möchten wir mit unseren wandelbaren Pieces dazu inspirieren, bewusster und weniger Kleidung zu kaufen, diese dann aber auf unterschiedliche Arten zu tragen, damit es trotzdem nicht langweilig wird.

Für unsere upcoming Collection wählten wir für unsere Viskose und Tencel-Pieces den Hersteller EcoVero by Lenzing. Sowohl Tencel als auch Viskose bestehen aus nachhaltigen Holzpartikeln. Dieser Hersteller hat uns durch seine Produktion mit besonders geringem Chemie- und Energieeinsatz überzeugt.

Was kann man bei Baumwolle alles falsch machen?

Die Hautverträglichkeit und die Pflegeeigenschaften überzeugen Kunden weltweit, doch was viele nicht wissen, ist, dass der Anbau von Baumwolle extrem viel Wasser benötigt. Angebaut werden kann diese Pflanze zudem nur in sehr warmen Gebieten: Sie wächst u.a. in der Türkei, in Südamerika oder in Südostasien. Das heißt, der Transportweg zu uns nach Europa ist immer sehr lang, der Carbon Footprint dementsprechend hoch. Was viele auch nicht wissen, ist, dass man Kleidung aus Baumwolle nur bei 30 Grad wäscht – viele Kunden waschen oft viel zu heiß.

Welche neuartigen Fashion-Fasern sind bei ökologischer Kleidung denkbar?

Hanf benötigt, so wie Flachs, um ein Vielfaches weniger Wasser als Baumwolle und überzeugt zudem durch seine feine, weiche und moderne Verarbeitung. Ich war sehr positiv überrascht und angetan als wir den ersten Stoff aus Hanf verarbeitet haben. Auch mit Ananas-Leder und Brennnessel möchte ich zukünftig experimentieren.

Wie viel Natur steckt wirklich in Ihren Artikeln? Produkte mit 100 Prozent natürlichen Inhaltsstoffen sind ja eher selten…

Unsere Kollektionen sind so natürlich, wie nur möglich. Eine hundert Prozent natürliche Kollektion ist quasi unmöglich, wenn man Mode anbieten möchte, die für den Konsumenten auch noch bezahlbar sein soll. Man muss also Prioritäten bei Materialauswahl und Produktionsstätten setzen. Wir produzieren so lokal, wie möglich – in unserem eigenen Atelier in Berlin sowie in Estland und garantieren dadurch kurze Wege sowie faire Arbeitsbedingungen.

Und wie sieht es mit den Färbemitteln aus – sind dies reine Naturfarben?

Wir vertrauen dem Oeko-Tex Standard 100 und GOTS (Global Organic Textile Standard) Zertifikaten. Materialien, die damit ausgezeichnet wurden, sind auf Schadstoffe geprüft und gesundheitlich unbedenklich. Dies beinhaltet auch eine geringe, chemische Belastung durch das Färben. Reine Naturfarben kann man nur in extrem hochpreisigen Segmenten anbieten.

Wie wird ein handelsübliches Kleidungsstück hergestellt? Wie unterscheidet sich Ihre Herstellungsweise?

Prinzipiell wird jedes Kleidungsstück gleich hergestellt: Der Stoff wird in Bahnen übereinander gelegt, um die einzelnen Schnittteile des Kleidungsstücks aufzulegen und zuzuschneiden. Hier jedoch entsteht der erste grundlegende Unterschied: wird von Maschinen zugeschnitten oder von Hand? Bei uns wird händisch zugeschnitten. Beim nächsten Schritt, dem Nähen, wird überall ähnlich gearbeitet: NäherInnen sitzen vor den jeweiligen Nähmaschinen und fertigen die Kleidungsstücke an. Viele Menschen glauben, es gibt Nähcomputer – dieses Mysterium möchte ich hiermit auflösen. Jedes Kleidungsstück auf der Erde wird von Menschen genäht. Die entscheidende Frage ist, ob diese Menschen unter guten Bedingungen arbeiten und genug Lohn erhalten. Diese Anforderungen sind beim Arbeiten in Europa erfüllt. Fair Fashion bedeutet faire Löhne.

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man seine Produkte als „Fair Fashion“ bezeichnen kann?

Man muss transparent gegenüber seinen Kunden und Partnern sein. Wird ökologisch korrekt angebaut – keine Pestizide verwendet? Werden Löhne fair bezahlt? Sind die Transportrouten zwischen Produktionsland und Verkaufsland kurz? Noch mehr Infos zu Fair Fashion gibt es auf fairfashionguide.de!

Wie kann sich der Verbraucher noch gut über ökologisch korrekte Bekleidung informieren?

Neben der erwähnten Website gibt es verschiedene Siegel und Zertifikate, wie der grüne Knopf, GOTS, OEKO-TEX oder der Vegan Fashion Award von PETA, auf die man beim Kauf achten sollte.

Muss man bei natürlicher Bekleidung und Schuhen manchmal Abstriche bzgl. Haltbarkeit und Qualität machen – etwa bei Schuhen aus Kork?

Bei Bekleidung kann ich das nicht bestätigen. Lange Haltbarkeit und höchste Qualität ist ja genau das, was nachhaltige Mode ausmacht. Bei Schuhen aus Kork kann ich keine Erfahrungswerte teilen. Ich habe unlängst zum ersten Mal vegane Lederboots gekauft und bin bislang sehr zufrieden damit.

Welche sind Ihre liebsten Fair Fashion- und Naturkosmetikmarken abseits von Ihrer eigenen Marke?

Fair Fashion von anderen Marken kaufe ich kaum, da ich es natürlich liebe, meine eigene Brand zu tragen – kombiniert mit Klassikern, die ich schon seit Jahren hege und pflege.

Was Kosmetik angeht, mag ich Jungglück, Dr. Hauschka und Weleda sehr gerne. Außerdem bin ich ein großer Fan von Seifen für Körper und Haare und benutze die Seifen von Terrorist of Beauty und Foamie.

Kaufen Sie manchmal auch mal Marken, die nicht „fair“ produzieren oder herkömmliche Kosmetik, wenn Ihnen mal etwas besonders gut gefällt?

Bei Kosmetik muss ich ab und an Ausnahmen machen, da meine Haut sehr sensibel ist und ich daher z.B. auch medizinische Kosmetik benutze. Fast Fashion kaufe ich seit Jahren nicht mehr.


Mehr Informationen zum Thema Fair Fashion:

www.fairfashionguide.de

https://utopia.de/mode

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