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Heute ein Interview mit unserer Praktikantin Mara, 21 Jahre alt, die Ihre Eindrücke und Erfahrungen bei Doublethewears mit uns teilt.
Wer bist du?
Hallo, ich bin Mara und studiere Modedesign in Berlin. Als Teil meines Studium mache ich gerade ein Praktikum beim Fair Trade Modelabel Doublethewears.
Warum machst du ein Praktikum bei Doublethewears?
Ich habe das Label schon 2017 vor meinem Studium kennengelernt. Als Vorbereitung für das Studium habe ich ein Praktikum gemacht, um die Basics rund ums Nähen und Mode zu lernen.
Das Thema Nachhaltigkeit war mir schon vor dem Studium privat ein wichtiges Anliegen. Daher war für mich klar, dass ich mich auch im Studium und in der Arbeit in der Modebranche damit auseinandersetzen würde.
Deswegen wollte ich unbedingt Einblicke in die Arbeit bei einem Fair Trade Modelabel bekommen und bin bei der Suche nach einem Praktikumsplatz zufällig über das Berliner Label Doublethewears gestoßen (das damals noch IND Berlin hieß).
Das Vorpraktikum hat mir super gefallen, weil ich viel gelernt habe und mich im Team richtig wohlgefühlt habe. Also habe ich Nina gefragt, ob ich nochmal zu ihr kommen kann – und zum Glück hat sie ja gesagt!
Was magst du an Doublethewears?
Mir gefällt an Doublethewears, dass es ein kleines, lokales Berliner Label ist. Besonders wichtig ist mir natürlich der Fokus des Fair Trade Modelabels auf Nachhaltigkeit. Die Modebranche hat ein riesiges Problem mit Müll, da viel zu viel gekauft wird und die Qualität der Fast Fashion Kleidung so schlecht ist, dass immer mehr weggeschmissen wird. Deswegen bin ich so begeistert vom innovativen Ansatz der Wandelbarkeit, mit dem Nina für jedes Produkt verschiedene Trageoptionen entwickelt.
Womit bist du bei Doublethewears beschäftigt?
Bei Doublethewears gibt es für mich ganz verschiedene Dinge zu tun.
Mal machen wir Produktfotos für die Webseite und Magazine; in der nächsten Woche konzentrieren wir uns dann ganz auf die Bildbearbeitung.
Meine Leidenschaft fürs Zeichnen kann ich ausleben, indem ich im Homeoffice Illustrationen anfertige, die bei Instagram gepostet werden.
Ich helfe mit bei der Qualitätskontrolle der Teile, die für die „Classic Collection“ produziert werden, um sicherzugehen, das ankommt, was bestellt wurde, und hochwertige Produkte an die Kund*innen geliefert werden.
Die „Limited Collection“ wird in Berlin direkt im Atelier gefertigt. Ich schneide zu, bügle und nähe Produkte, die bestellt werden und mache auch Änderungen und Reparaturen für einzelne Kund*innen.
Auch das Kopieren von Schnittteilen und Gradieren, also das Anpassen der Schnittteile für andere Größen, gehören zu meinen Aufgaben. (Dabei arbeiten wir noch ganz klassisch mit Stift und Papier.)
Besonders cool ist, dass Nina mich auch in die Entwicklung von neuen Produkten einbezieht. Ich habe zum Beispiel beim Design eines neuen Midi Wickelrocks und der Zero-Waste Sweatpants mitgeholfen.
Zero-Waste ist zurzeit in aller Munde. Kannst du ausführen wie genau das bei euch aussieht?
Auf diese Sweatpants sind wir besonders Stolz, weil wir den innovativen Zero-Waste Ansatz verwenden. Wie ich schon erwähnt habe, ist Müll eines der größten Probleme in der Modeindustrie. Hier geht es nicht nur um Kleidungsstücke, die weggeschmissen werden. Auch bei der Produktion fällt extrem viel Müll an. Besonders beim Zuschnitt gibt es immer kleine Stoffreste zwischen den Schnittteilen, die direkt im Müll landen. Und genau da setzt das Zero-Waste Prinzip an. Wir versuchen, die gesamte Breite der Stoffbahn zu nutzen und die Schnittteile so zu konzipieren, dass sie direkt aneinander passen, wie ein Puzzle.
Das ist ganz schön kompliziert und ich hatte bei der Schnittentwicklung große Sorge, ob es wirklich funktionieren würde. Umso größer war dann die Freude, als die Sweatpants gepasst haben und auch richtig gut aussahen.
Erzähle uns ein wenig über deinen Atelieralltag und die handwerklichen Arbeiten.
Gerade haben wir zwei neue Varianten der Mund & Nasen Maske entwickelt.
Der erste Schritt war dabei die Schnittentwicklung, um eine neue Passform zu schaffen, die elegant aussieht und den unterschiedlich großen Gesichtern von Frauen und Männern gut passt.
Bei der Auswahl der Materialien war uns wichtig, dass man angenehm atmen kann. Wir haben darauf geachtet, dass der Stoff, der die Gesichtshaut berührt aus 100 % Baumwolle besteht, damit die Masken auch für sensible Haut geeignet sind.
Für die Herstellung der Masken bügle ich zuerst den Stoff und schneide die Schnittteile zu. Dann geht es an die Nähmaschine. Zuerst schließe ich die Abnäher in der Mitte, die der Maske ihre Form geben.
Inwiefern unterscheiden sich die neuen Mund & Nasenmasken von den alten?
Das neue Modell hat oben unten ein Einfassband, was sehr elegant aussieht, aber auch mehr Arbeit für die Verarbeitung bedeutet. Wir stellen unser Einfassband selber her und benutzen dafür den gleichen Baumwollstoff, der der auch als Futter der Maske dient. Ich schneide den Stoff in Streifen und falte sie mit einem kleinen Metallgerät, sodass ich die Streifen einfach in Form bügeln kann. Dann Stecke ich das Band mit Nadeln an der Stoffkante fest. Hier ist es wichtig besonders sorgfältig zu arbeiten. Je genauer ich bügle und stecke, desto einfacher geht dann das Nähen. Das Einfassband wird knappkantig an die Maske aufgesteppt. Das gibt von außen und innen ein sauberes Finish.
Für die Verarbeitung der Seiten verwenden wir eine Overlocknaht. Dafür gibt es spezielle Nähmaschinen, die mit 4 Fäden gleichzeitig arbeiten, um Kanten zu versäubern. Als ich vor meinem Studium bei meinem ersten Praktikum bei Doublethewears zum ersten Mal eine Overlockmaschine verwendet habe, war ich ganz schön nervös. Die Maschine hat nämlich ein eingebautes Messer mit dem Stoffreste und Fäden von der Nahtzugabe abgeschnitten werden. Aber mittlerweile bin ich ganz routiniert und es ist beeindruckend zu sehen, wie die Maschine die vier Fäden zu einer Naht verschlingt. Nur wenn ich die Farbe auswechseln muss, ist es echt nervig – aber zum Glück gibt es da einen Trick. Ich knote einfach die neuen Fäden an und ziehe sie durch die Maschine. So muss ich sie nicht jedes Mal neu einfädeln.
Die Overlocknaht wird auf die Innenseite der Maske gebügelt und ich nähe die Gummibänder an. Die Gummibänder sind Rund für optimalen Tragekomfort hinterm Ohr und ich nähe mehrmals vor und zurück, sodass sie wirklich fest sitzen. Das nennt man verriegeln.
Jetzt ist die Maske fertig! Aber eins fehlt noch – besonders praktisch ist das Band, das zu diesem Model mitgeliefert wird. Damit kann man die Maske einfach um den Hals hängen, wenn man sie absetzt. Hier nähe ich die Enden um und presse die Druckknöpfe ein. Ta-da! Jetzt können Maske und Band verschickt werden.
Welche Aufgaben magst du am liebsten?
Insgesamt finde ich alle Aufgaben, die bei einem typischen Fair Trade Modelabel anfallen, spannend. Deswegen gefällt mir am liebsten an der Arbeit bei Doublethewears die Vielseitigkeit. Weil ich viele verschiede Aufgaben habe, lerne ich immer etwas neues und es wird nie langweilig.
Die Kommunikation ist super offen, ich bekomme Einblicke in alle Bereiche des Labels, sodass ich alles mitbekomme, was so anfällt. Wir freuen uns zusammen über alle kleinen Erfolge und Meilensteine, die wir erreichen und Nina kommuniziert auch die Probleme ganz offen, sodass ich all die Schwierigkeit kennenlerne, die es gibt, wenn man ein eigenes Label aufbaut und sehe, wie viele Hürden es auf dem Weg zur Nachhaltigkeit zu überqueren gibt.
Welches Teil der Kollektion ist dein Favorit?
Ich mag das 3-in-1 Flexi Sweatshirt MARTA, weil mir das Froschgrün so gut gefällt. Das Sweatshirt ist super cozy und kommt mit den praktischen Kragenoptionen. Und mit dem Bio-Stoff aus GOTS zertifizierter Baumwolle kann man ein richtig gutes Gewissen haben.
Was denkst du über Fair Fashion und wie siehst du die Zukunft der Mode?
In der Modeindustrie läuft im Moment richtig viel falsch. Umweltverschmutzung durch Pestizide, Chemikalien und Farben, Plastikfasern in den Meeren, Tierquälerei, unmenschliche Arbeitsbedingungen für Näherinnen, immer schlechtere Qualität, viel zu viel Kleidung und immer mehr Müll. Die Situation wirkt hoffnungslos kompliziert und die Industrie ist in den alten Strukturen festgefahren. Für die Konsument*innen ist es oft überfordernd, zu erkennen was wirklich nachhaltig ist und auch für Fair Trade Modelabels ist es extrem schwer, die richtigen Entscheidungen zu treffen und neue Wege zu gehen.
Zum Glück ist das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren auch in der Modeindustrie immer mehr in den Fokus und ins Bewusstsein der Gesellschaft gerückt. Aber es gibt noch eine ganze Menge zu tun. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass die Fair Fashion Bewegung Nachhaltigkeit zu Priorität macht.
Menschenwürdige Sozialstandards sollten eine Selbstverständlichkeit sein und unserem Planeten haben wir schon viel zu viel zugemutet. Es ist höchste Zeit für ein grundsätzliches Umdenken: Nachhaltigkeit muss zur Normalität in der Modebranche werden.
Welche Materialien haben deiner Meinung nach das größte Zukunftspotential?
Wie so oft beim Thema Nachhaltigkeit ist die Antwort nicht leicht. Jedes Material hat seine Vor- und Nachteile.
Plastikverschmutzung ist ein großes Thema – die Verwertung von Plastikmüll mit Fasern aus recyceltem Kunststoff hilft, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Aber auch recyceltes Plastik gibt bei jedem Tragen und jeder Wäsche kleine Partikeln, das sogenannte Mikroplastik ab, dass unsere Umwelt verschmutzt. Außerdem braucht die Herstellung viel Energie. Trotzdem denke ich, dass zum Beispiel Stoffe aus recycelten PET Flaschen, sogenanntem rPET, eine wichtige Alternative sind, denn wir müssen den Plastikmüll, den wir schon haben, ja irgendwie verwerten.
In diesem Video des National Geographic wird gezeigt, wie Plastikflaschen zu Polyester recycelt werden:
Um zu vermeiden, dass überhaupt neuer Müll produziert wird, sind natürliche Materialien eine wichtige Option.
Fasern aus natürlich Rohstoffen haben in der Theorie den Vorteil, dass sie biologisch abbaubar sind. Das bringt aber überhaupt nichts, wenn sie so mit Chemikalien und Farbstoffen ausgerüstet werden, dass sie dann das Grundwasser belasten.
Deswegen ist es unglaublich wichtig, dass wir auf Biobaumwolle umsteigen – und auch bio ist nicht gleich bio. Das GOTS Siegel garantiert, dass nicht nur der Anbau, sondern auch die Veredelung und Färbung wirklich bio sind. Auf der GOTS Webseite wird erklärt, wie sichergestellt wird, dass alle Standards eingehalten werden: https://www.global-standard.org/de/
Der Baumwollanbau ist bekannt für den extrem hohen Wasserverbrauch und die Unmengen an Pestiziden, die verwendet werden. Neben Biobaumwolle gibt es interessante Alternativen, wie Leinen oder Hanf, die wesentlich umweltfreundlicher angebaut werden können.
Auch zu Viskose gibt es Alternativen, wie Lyocell (Tencel), das aus Zellulose, zum Beispiel von Eukalyptusbäumen, in einem geschlossenen Kreislauf hergestellt wird und deutlich weniger umweltbelastend ist.
Insgesamt denke ich, dass unbedingt weiter geforscht und herumexperimentiert werden muss, damit wir gute Lösungen finden, z. B auch für tierfreundliche, biologisch abbaubare Alternativen zu Leder und Kunstleder.
Mara aus Steglitz, 21 Jahre alt und studiert Modedesign an der HTW Berlin.
Mehr Informationen zum Thema Zero-Waste:
www.aethic.de/sustainable-strategies/less-zero-waste/
www.sustainablejungle.com/zero-waste/zero-waste-plan-going-zero-waste/